Miteinander - oder gar nicht

Alida Gundlach
Alida Gundlach

LandFrauen in Hessen sind eine starke Gemeinschaft. Das wurde einmal mehr auf dem Landfrauentag zum 51. Hessentag in Oberursel sichtbar. Aus 800 Landfrauenvereinen in ganz Hessen kamen rund 3000 LandFrauen ins große Festzelt. Da ließ es sich auch der neue hessische Ministerpräsident Volker Bouffier nicht nehmen, die versammelte Frauenpower zu begrüßen.

 

„Die Landfrauen sind ein herausragender Pfeiler im Leben unseres Landes und zugleich eine großartige Bewegung, und nicht zuletzt der größte Bildungsträger in diesem Land“ betonte dieser. Er dankte den Landfrauen für ihr Engagement auch im Namen der anwesenden Kabinettskollegen Landwirtschaftsministerin Lucia Puttrich und Sozialminister Grüttner. Die Landfrauen gehörten zu jener Gruppe Menschen, die in diesem Land mehr tun, als sie müssten. Besonders im ländlichen Raum sei dies angesichts des demographischen Wandels von unschätzbarem Wert.

 

„Wir brauchen Sie und ich baue auf Sie!“ so Bouffier.

 

Dass man nur miteinander etwas bewegen kann und am besten in einer starken Gemeinschaft, betonte die Präsidentin des Landfrauenverbandes Hessen. Sie freute sich, dass mit der Moderatorin Alida Gundlach eine prominente Festrednerin gewonnen werden konnte, die mit ihrem Thema, dem gleichnamigen Titel ihre Buches, „Miteinander – oder gar nicht!“, den Landfrauen aus dem Herzen sprach. So brachte Gundlach auf höchst unterhaltsame Weise ihr großes Herz für die „kleine Zelle“ Familie zum Ausdruck. Nicht nur, wenn die Welt aus den Fugen gerät, sei ihr der Austausch zwischen den Generationen wichtig, der Zusammenhalt der Menschen überhaupt; die Familie, die Freunde und Nachbarn, die ein Schutzpolster aus Zuneigung und Sicherheit gegen Kälte und Angst bilden können. Gundlach bestärkte gerade die (Land)Frauen, Netzwerke zu knüpfen und wie im Fall der Landfrauen, zu pflegen, und ihre Träume nicht aufzugeben.

 

Unterhaltsame Einblicke und Rückblicke Mit einem unterhaltsamen Rahmenprogramm rundete der gastgebende Bezirkslandfrauenverein Usingen-Hochtaunus, die Veranstaltung ab. Im festlich geschmückten Festzelt unterhielt nicht nur ein eigens gegründeter Chor die Gäste, sondern auch eine Modenschau. Die gab mit Originalkleidern der 50er, 60er und 70er Jahre Einblick in Mode und Frauenalltag vergangener Zeiten. Mit den Klängen des Liedes „Möge die Straße uns zusammenführen“ machten sich die Landfrauen nach der gelungenen Veranstaltung auf den Weg durch den Hessentag, wo die Usinger Landfrauen an ihrem Stand zehn Tage lang auf vielfältige Weise erlebbar machten, was in Korn und Brot so alles drin steckt.

 

LFV


Frauenpower im Festzelt

Der Hessentag in Oberursel geht ins Schluss-Wochenende. Der Donnerstag stand ganz im Zeichen der Frauen. Der Hessische Landfrauenverband hatte geladen, und Massen kamen. Platz für harte Männer gab es auch – im Feueratelier.

 

Endlich ein Tag, der ganz im Zeichen der Frauen steht. Der in geballter Form präsentiert, wer im Hessenland das heimliche Regiment führt. Sogar Ministerpräsident Volker Bouffier hat weiche Knie angesichts der 3500 weiblichen Wesen und spricht von „Dankbarkeit, Respekt und Anerkennung“. Der Hessische Landfrauenverband hat seine Mitglieder nach Oberursel eingeladen – und die Bezirksvereine zeigen im großen Festzelt selbstbewusst Flagge. Auf langen Bankreihen sitzen die Abordnungen aus Fritzlar, Eschwege, Witzenhausen, oder Usingen-Hochtaunus.

 

Unerträglich ist die Schwüle unterm Zeltdach. Der Ministerpräsident ernennt den 53 000 Mitglieder starken Verband zum „Premium-Partner“ der Landesregierung – aber alles ehrenamtlich bitteschön. Geduldig harren die lebenserfahrenen Damen aus, fächeln sich Luft und nippen am Wasserglas. „Wir brauchen Mutbürger und Menschen, die mitmachen.“ Charmaine Weisenbach, weiblicher Teil des Hessentags-paares, lobt wenige Minuten später die „Frauenpower“, was einen Beifallssturm nach sich zieht. Von Tradition und Moderne ist ebenfalls dauernd die Rede.

 

Wer die Liebfrauenstraße zum Ausstellungsgebiet Drei Hasen beschreitet, sieht viel Modernes, wenig Traditionelles. Gyros-Teller, Caipirinhas zum Sonderpreis, Stöckelschuhe und tätowierte Waden. Reichlich Tand und Kitsch auch in Adenauerallee und Vorstadt. – Es ist Tag sieben des Landesfestes und höchste Zeit, eine grundsätzliche Frage zu stellen. Was ist geblieben vom Geist des Anfangs? Wo pocht das Herz des Hessentags im Jahre 2011?

 

Bestimmt nicht am Platz der Bundeswehr, wo schon frühmorgens fleißig Biere gezapft und tarnfarbene Kampfanzüge ausgestellt werden. Im städtischen Fundbüro warten nur Schlüssel, Geldbeutel und zwei Fahrräder auf ihre Besitzer. „Abgeholt wird wenig“, heißt es im Rathaus – eher gebe es Nachfragen zu Dingen, die gar nicht abgegeben worden seien.

 

Ein Besuch in der Aula der Feldbergschule soll weiterhelfen: In der Ausstellung „50 Jahre Hessentag“ sind zumindest viele Trachten abgebildet. Wörter wie „Hessenbewusstsein“ und „Heimatgedanke“ prägen die frühen Jahre.

 

Also Trachten. Die man in Oberursel aber vergeblich sucht. Sogar die Landfrau von heute liebt es eher leger und schulterfrei. Da ist keine Trachtenbluse, unter der sich das Hessentags-Herz verbirgt. Große Hoffnungen zerbröseln im Trachten-Zelt der Hessischen Vereinigung für Tanz- und Trachtenpflege, wo eine Spaßmacherin das „Putz-Lied“ (Refrain: „Wisch, wisch, wisch“) zum Besten gibt.

 

Dann lieber zum Apfelwein. Hinterm Rathaus, kaum zu glauben, fließen Tradition und Moderne, Bewusstsein und Heimat in eins. Döringer und Docken haben aus Taunus-Eiche die schönste Theke Oberursels gebaut – auf der ruckzuck die Gläser stehen. Golden sprudelt es aus uralten Bembeln, das Tor zum Taunus öffnet sich weit. Und das Herz schlägt wieder im altvertrauten Rhythmus.

 

Frankfurter Rundschau 17. Juni 2011